Stolpersteine für die Opfer der T4-Aktion

Die Bezeichnung „Aktion T4“ bezieht sich auf den systematischen Massenmord an über 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen in Deutschland von 1940 bis 1941 unter der Leitung der Zentraldienststelle T4. Diese grausamen Taten waren Teil der Krankenmorde während der Zeit des Nationalsozialismus, bei denen bis zum Jahr 1945 mehr als 200.000 Menschen ihr Leben ließen.

Unmenschliche Legitimation
Die Rechtfertigung für die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ basierte sowohl auf rassenhygienischen Ideologien der Eugenik als auch auf wirtschaftlichen Überlegungen im Zweiten Weltkrieg. Während erste kirchliche Proteste aufkamen, setzten die Tötungen nach der „Leerung“ ganzer Anstaltsteile von „Heil- und Pflegeanstalten“ ab 1941 dezentral unter dem Namen „Aktion 14f13“ fort. Die Abkürzung „T4“ steht für die Adresse der Zentraldienststelle T4 in Berlin: Tiergartenstraße 4. Zu Beginn dieser schrecklichen Aktion befand sich die Dienststelle im Columbushaus. Die Leitungen von Krankenanstalten und psychiatrischen Kliniken wurden aufgefordert, auch ihre volljährigen Patienten zu melden. In Berlin überprüften Gutachter die Meldungen und entschieden über das weitere Schicksal. Mit einem „+“-Zeichen auf dem Meldebogen vermerkten sie, wer getötet werden sollte. Die Betroffenen wurden in Krankenanstalten, etwa nach Bernburg, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein verlegt und umgebracht.

Perfide Mordmaschinerie
Dr. Albert Widman, Referent des Kriminaltechnischen Instituts des Reichskriminalpolizeiamtes, entwickelte die Strategie, die Menschen nicht nur durch Injektionen, sondern auch durch giftiges Kohlenmonoxidgas zu töten. Die Ermordung erfolgte in eigens eingerichteten Gaskammern. Das Gas lieferte die IG Farben, also die heutige BASF. Die Leichen wurden eingeäschert und die Angehörige über erfundene Todesursachen in Kenntnis gesetzt.

NAMEBIOGRAFIEZUSATZINFORMATIONEN
CHARLOTTE B.Charlotte B. wurde am 27.04.1898 in Eberswalde geboren. Sie arbeitete dort zunächst in der Hufnagelfabrik wurde aber 1924 arbeitslos. Völlig mittellos erkrankte sie im Frühjahr 1930 an „einer einfachen Seelenstörung“. „Einfache Seelenstörung“ ist ein medizinischer Sammelbegriff des späten 19. Jahrhunderts, der die schwersten seelischen Störungen, Schizophrenien und bipolare Störungen einschließt. Charlotte B. wurde am 10. 04.1930 in die Landesanstalt Eberswalde eingewiesen und in die Pflegeklasse IV aufgenommen. Die Unterbringung der mittellosen Patientin wurde vom Magistrat der Stadt Eberswalde getragen. Nach kurzer Zeit wurde eine Schizophrenie diagnostiziert und die Patientin in den Folgejahren mehrfach innerhalb der Anstalt verlegt. Ein letzter Vermerk in der Krankenakte beschreibt die Patientin, wie folgt: „Beschäftigt sich fast überhaupt nicht mehr. Wird immer noch stark beköstigt…“. Am Schluss findet sich dann der Zusatzvermerk: „Wird auf Anordnung des Reichsverteidigungskommissars in eine andere Anstalt verlegt“. Charlotte B. wurde wenig später sehr wahrscheinlich nach Brandenburg an der Havel verbracht und mit Giftgas ermordet. Oderberger Straße 8In Brandenburg an der Havel war 1939 ein Strafanstaltskomplex im Stadtzentrum zur Euthanasie-Tötungsanstalt umgebaut worden. In der ehemaligen Anstaltsscheune wurde eine Gaskammer installiert. Dort führten hochrangige NS-Vertreter im Januar 1940 eine „Probetötung“ an unbekannten Personen durch, bei der die Entscheidung für das Tötungsverfahren mit Gas getroffen wurde.
GUSTAV D.Gustav D. wurde am 23.6.1884 in Rischow, Kreis Pyritz, geboren. Im April 1925 wurde er erstmals mit der Diagnose Schizophrenie in eine Anstalt eingewiesen. Im Oktober 1930 wurde während seines Aufenthalts in der Anstalt Buch seine Ehe geschieden. Am 24.6.1940 wurde Gustav D. in die Wittenauer Heilstätten verlegt. Von dort kam er am 27.11.1940 mit einem Sammeltransport in die Landesanstalt Eberswalde. Seine Krankenakte vom 7.8.1941 enthält als letzten Eintrag: „Stumpf beschäftigt sich mit Zeugzupfen Wird heute auf Veranlassung des Reichverteidigungskommissars in eine andere Anstalt überführt“. Gustav D. wurde sehr wahrscheinlich in die Tötungsanstalt Bernburg verbracht und dort am Aufnahmetag mit Giftgas ermordet.Oderberger Straße 8Im Sommer des Jahres 1940 wurde in der Verwaltungszentrale der Krankenmorde in Berlin die Entscheidung gefällt, die T4-Tötungsanstalt Brandenburg/Havel zu schließen und das Mordgeschehen nach Bernburg zu verlegen. Zu diesem Zweck wurde die Teilung der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg in einen therapeutischen Bereich (Anhaltische Nervenklinik), wo weiterhin Patienten behandelt wurden, und in eine Tötungsanstalt (Heil- und Pflegeanstalt) beschlossen. Im Keller des Männerhauses II wurden ein kleiner Raum mit Fliesen ausgekleidet und zwei stationäre Verbrennungsöfen eingebaut. Zwischen dem 21. November 1940 und 24. August 1941 wurden hier mehr als 9.000 Männer, Frauen und Kinder noch am Tage ihrer Ankunft ermordet und ihre Leichen verbrannt. Die Transporte kamen aus 39 psychiatrischen und Pflegeanstalten der Provinzen Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein, den Ländern Anhalt, Braunschweig und Mecklenburg sowie aus Berlin und Hamburg.
ANNA F.Anna F. wurde am 3.12.1895 in Wriezen geboren. Die verheiratete Frau lebte zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung in Bad Freienwalde. Im Februar 1934 wurde sie mit der Diagnose Paralyse in die Krankenanstalt Eberswalde eingewiesen. Die Krankenakte vermerkt über mehrere Jahre, dass die Patientin „stumpf“ und „unzugänglich“ wirke.
Am 24.7.1940 wurde Anna F. auf Anordnung des Reichsverteidigungskommissars in eine andere Anstalt verlegt. Anna F. sehr wahrscheinlich nach Brandenburg an der Havel verbracht und dort mittels Giftgas ermordet.
Oderberger Straße 8In Brandenburg an der Havel war 1939 ein Strafanstaltskomplex im Stadtzentrum zur Euthanasie-Tötungsanstalt umgebaut worden. In der ehemaligen Anstaltsscheune wurde eine Gaskammer installiert. Hier wurden zwischen Februar und Oktober 1940 über 9.000 Anstaltspatientinnen und -patienten aus dem nord- und mitteldeutschen Raum mit dem Giftgas Kohlenmonoxid ermordet.
EDUARD F.Eduard F. wurde am 1.051883 in Rehdorf geboren und wuchs bei Pflegeeltern auf. Später lebte er in Klosterfelde. 1906 bis 1908 leistete Eduard F. seinen Militärdienst ab. Nachfolgend arbeitet er als Tischler. Er war häufiger krank bis am 2. 04.1908 eine „Seelenstörung“ bei ihm diagnostiziert und Eduard F. in die Landesanstalt Eberswalde eingewiesen wurde. Dort verblieb er bis zum 22.10.1908 nachdem seine Pflegeeltern auf Entlassung gedrungen hatten. Am 31.10.1920 erfolgte die neuerliche stationäre Aufnahme in der Landesanstalt, in der Eduard F. in der Folge verbleiben sollte. In der Krankenakte wird der Patient als weitgehend untätig aber außerordentlich ruhig beschrieben. Am 28.06.1940 beschreibt die Krankenakte den Patienten als „völlig stumpf und unbrauchbar“. Noch am selben Tag verbrachte man den Patienten sehr wahrscheinlich nach Brandenburg an der Havel, wo Eduard F. sofort nach seinem Eintreffen mit Giftgas ermordet wurde.Oderberger Straße 8
MARGARETE H.Margarete H. wurde am 12.05.1900 in Danzig geboren und lebte in Berlin Lichterfelde. 1936 wurde sie wegen eines akuten Verwirrtheitzustands in die Wittenauer Heilstätten in Berlin eingewiesen. Dort wurde eine Schizophrenie diagnostiziert. Nach dem am 1. Januar 1934 in Kraft getretenen Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses wurde Margaret H. als erbkrank eingestuft und die Zwangssterilisation angeordnet. Im Juni 1939 wurde die Patientin in der Landesklinik Eberswalde aufgenommen. Von dort wurde sie am 19.07.1940 gemeinsam mit mindestens 70 weiteren jüdischen Patienten in die Sammelanstalt für jüdische Patienten in die Berliner Heilanstalt Buch verlegt. Margarete H. wurde vermutlich am 22.7.1940 mit weiteren jüdischen Patienten in die Euthanasieanstalt in Brandenburg an der Havel verbracht und am selben Tag mit Giftgas ermordet. Oderberger Straße 8Die offizielle Todesanzeige adressierte den Ort Cholm bei Lublin und gab als fiktives Sterbedatum den 6.11.1940 an. Die in Cholm befindliche Irrenanstalt war im Januar 1940 von der SS besetzt worden. Die Patienten, 300 Männer, 124 Frauen und 17 Kinder, wurden erschossen. Um die Schicksale der jüdischen psychisch kranken Patienten sowie Behinderten, die im Rahmen der T4-Aktion ab Sommer 1940 in geschlossenen Transporten in die NS-Tötungsanstalten verbracht und ermordet wurden, zu verschleiern, wurde die Anstalt fiktiv weitergeführt. Unter dieser Adresse wurden der Reichsvereinigung der Juden Betreuungskosten in Rechnung gestellt, gefälschte Sterbeurkunden eines NS-Sonderstandesamts versandt und Anfragen von Angehörigen beantwortet.
Ungefähr 10 Prozent der T4-Opfer in Brandenburg waren jüdischer Herkunft. Diese Patientinnen und Patienten wurden anders als nichtjüdische Personen, unabhängig von der Art ihrer Erkrankung oder dem Grad ihrer Arbeitsfähigkeit, allein aufgrund ihrer jüdischen Herkunft getötet. Ab Juli 1940 begann somit der erste planmäßig organisierte Massenmord an Juden und Jüdinnen im Deutschen Reich.
ERICH J.Erich J. wurde am 11.06.1892 in Wilmersdorf bei Berlin geboren. Der Bankbeamte im Ruhestand lebte in Woltersdorf/Niederbarnim. Am 11.5.1931 heiratete er. Die Ehe blieb kinderlos. Am 6.8.1935 wurde Erich J. in die Landesanstalt Eberswalde eingewiesen. Wegen der nunmehr diagnostizierten Schizophrenie beschloss das Erbgesundheitsgericht Prenzlau am 13.8.1936 die Zwangssterilisation. Am 7. 1. 1941 wurde Erich J. auf Anordnung des Reichsverteidigungskommissars in eine andere Anstalt verlegt. Er wurde sehr wahrscheinlich in die Euthanasieanstalt Bernburg verbracht und dort noch am selben Tag mittels Giftgas ermordet.Oderberger Straße 8
GUSTAV K.Gustav K. wurde am 24.03.1886 in Eberswalde geboren. Der 35-Jährige Reichslokomotivführer wurde bereits 1921 pensioniert. Am 03.03.1930 bescheinigt ein Dr. Seele dem Patienten ein „organisches Hirnleiden“ und empfiehlt dringend die Aufnahme in einer geschlossenen Anstalt. Die Krankenakten beschreiben einen ruhigen Patienten, der aber verworren redet und seine Situation nicht richtig einschätzen könne. Im Dezember 1939 wird eine leichte Besserung des Gesundheitszustands beschrieben. Trotzdem wird Gustav K. auf Anordnung des Reichsverteidigungskommissars in eine andere Anstalt verlegt. Gustav K. wurde am 04.01.1940 sehr wahrscheinlich nach Brandenburg an der Havel verbracht und dort am selben Tag mittels Giftgas ermordet. Oderberger Straße 8