Antisemitische Verschwörungsmythen

Antisemitische Verschwörungsmythen waren wesentlicher Bestandteil der Rassenpolitik der Nationalsozialisten, die in der Vernichtung der europäischen Juden endete. Zu den propagandistischen Kernthemen gehörten das vermeintlich judeo-bolschewistische Komplott ebenso wie die Unterstellung, „die Juden“ hätten Deutschland den Krieg erklärt.

In den Medien wurden die bösartigen Stürmer-Karikaturen des Börsenjuden verbreitet. Die visuelle Indoktrination setzte sich durch Filme wie „Der ewige Jude“, in dem Ratten sich als „jüdisches Ungeziefer“ über die ganze Welt verteilen oder „Die Rothschilds“, in die als widerliche Fratzen dargestellten Mitglieder der Familie Rothschild die Finanzmärkte weltweit beherrschen. Der Name der Familie Rothschild erfüllt bis heute die Funktion, eine vermeintliche jüdische Allmacht über das weltweite Finanzwesen zu konstruieren. Selbst im Zusammenhang mit den sich um die Anschläge des 11. September 2001 rankenden Verschwörungstheorien werden „die Rothschilds“ von rechtsextremen Kreisen als geheime Macht genannt. Israel hätte die Anschläge mit seinen Komplizen Amerika und Großbritannien auf Befehl der Rothschilds „orchestriert“, um mit den strengen Sicherheitsmaßnahmen als Reaktion auf den Terrorangriff die Freiheit der Menschen einzuschränken. Die wirre Behauptung, die angeblich 4000 jüdischen Angestellten, die im World Trade Center arbeiteten, wären an jenem Tag nicht zur Arbeit erschienen, weil sie der amerikanische oder israelische Geheimdienst gewarnt hätte, verbreitete sich bereits am nächsten Tag auf arabischen Internetseiten wie ein Lauffeuer und findet sich bis heute auf Webseiten verschiedenster extremer Gruppierungen. Nach den Anschlägen in London im Juli 2005 verbreiteten sich im Internet rasch Gerüchte, die eigentlich Verantwortlichen seien Juden oder der israelische Geheimdienst. Vor dem Hintergrund solcher abstrusen Ideen ist es nur folgerichtig, dass der „Krieg gegen den Terror“, den Präsident George W. Bush als Reaktion auf die Anschläge ausrief und der im Irak 2003 begann, von antisemitischen Verschwörungstheoretikern als israelische Initiative interpretiert wird. Als Code verwenden sie häufig das Akronym „USrael“, mit dem sie zum Ausdruck bringen wollen, dass eigentlich Israel die USA führt bzw., dass „die Juden“, die in den USA leben, die amerikanische Politik im Sinne Israels beeinflussen. Letztlich würde „USrael“ auch alles daran setzen, die Erdölvorräte in der Welt unter sich aufzuteilen um damit vor allem Europa zu schaden. Insbesondere der Krieg gegen den Irak wird als Ergebnis einer Verschwörung zwischen den USA und Israel kolportiert. USrael wird häufig synonym für den Begriff „Ostküste“ verwendet und steht damit auch für antisemitische Verschwörungstheorien, die „den Juden“, die an der amerikanischen Ostküste leben, Macht über welt- und finanzpolitische Entwicklungen zuschreiben.

Bereits ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren verschwörungstheoretische Legenden zum Kulminationspunkt einer antisemitischen Stimmung in Osteuropa geworden. In der polnischen Stadt Kielce kam es im Sommer 1946 zu einem Pogrom gegen die wenigen überlebenden Juden, die eines Ritualmordes beschuldigt wurden. In der Sowjetunion spitzte sich der stalinistische Antisemitismus 1953 zu, als neun Kreml-Ärzte, darunter sechs Juden, einer „Ärzte-Verschwörung“ angeklagt wurden. Ihnen wurde vorgeworfen, im Auftrag westlicher Geheimdienste und einer amerikanisch-jüdischen Hilfsorganisation führende Militärs ermordet und auf prominente Politiker Anschläge verübt zu haben. Jüngste antisemitische Verschwörungstheorien bezichtigen Juden nicht nur des illegalen Organhandels– so wurde etwa in einer skandinavischen Zeitung behauptet, Israelis töteten Palästinenser, um sie als Organspender zu missbrauchen–, sondern auch als Verursacher des Flugzeugabsturzes von Polens Präsident Lech Kaczynski in Smolensk im April 2010. Es fanden sich die Gerüchte über die angeblich jüdische Urheberschaft der Schweinegrippe auf islamistischen Seiten und in Karikaturen arabischer Medien, die Unterstellung, „die Juden“ hätten durch die Probezündung von biologischen Waffen im Indischen Ozean den Tsunami vor der Insel Sumatra 2004 ausgelöst, in radikal islamistischen, aber auch in rechtsextremen Kreisen. Die Unterstellung, „die Juden“ hätten den Holocaust nur erfunden, um Deutschland finanziell unter Druck zu setzen oder andere Länder für eine pro-israelische Haltung zu gewinnen, findet sich ebenso in islamischen und rechtsextremistischen Lagern. Dass die Deutschen systematisch mit Chemikalien vergiftet würden, die von israelischen Flugzeugen versprüht würden, scheint eine verschwörerische Legende besonders unter rechtsextremen Sektierern zu sein.

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