FAQ Antisemitismus


Was ist Antisemitismus?
Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Die Bundesregierung unter Angela Merkel hatte diese Definition 2017 angenommen und wie folgt erweitert:
Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.


Welche Ausprägungen von Antisemtismus gibt es?

Es gibt verschiedene Ausprägungen von Judenhass. Man unterscheidet zwischen „klassischem“, sekundärem und israelbezogenem Antisemitismus. Die „klassische“ Form umfasst sozialen Antisemitismus (Vorurteile wie Juden als Ausbeuter und Wucherer) sowie religiöse, nationalistische oder rassistische Ausprägungen.
Der sekundäre Antisemitismus relativiert oder leugnet den Holocaust, bemüht sich um Täter-Opfer-Umkehr oder fordert, einen Schlussstrich unter die Erinnerungskultur zu ziehen.


Was ist israelbezogener Antisemitismus?

Der israelbezogene Antisemitismus überträgt traditionelle Stereotype auf den Staat Israel oder setzt israelische Politik gegenüber Palästinensern mit den Nationalsozialisten gleich.
Auch der Begriff der „Israelkritik“ wird kritisch gesehen, da man damit Kritik an der Regierung mit dem Land gleichsetzt – eine Sprachpraxis, die man bei anderen Ländern nicht anwendet.


Wie verbreitet ist Antisemitismus in Deutschland?
Der „Mitte-Studie“ 2023 zufolge hat die Zustimmung zu antisemitischen Aussagen zugenommen. Das betrifft alle Formen von Antisemitismus. Der Aussage „Durch ihr Verhalten sind Juden an ihren Verfolgungen mitschuldig“ stimmten 7,2 Prozent der Befragten zu, 10,8 Prozent der Befragten teils/teils. Die „Autoritarismus-Studie“ von 2022 kommt allerdings zum gegenteiligen Ergebnis: Die Zustimmung zu antisemitischen Aussagen ist demnach in den vergangenen 20 Jahren zurückgegangen.
Laut einer Studie der Technischen Universität Berlin ist klassischer und israelbezogener Antisemitismus unter Muslimen weiter verbreitet als unter Nicht-Muslimen. Beim sekundären Antisemitismus gibt es jedoch kaum Unterschiede.

Wie viele antisemitische Straftaten gibt es?
Im ersten Halbjahr 2023 gab es bereits 960 antisemitische Straftaten, allerdings handelt es sich noch um vorläufige Angaben des Bundesinnenministeriums. Zwischen 2015 und 2021 ist die Zahl der Vorfälle in Deutschland jedes Jahr gestiegen. Waren es zunächst 1366 im Jahr 2015, gab es im Jahr 2021 über 3000 Delikte. Im Jahr 2022 sank die Zahl zwar auf 2641, dafür stieg aber die Zahl der Gewaltdelikte auf 88 (2021: 64 Gewaltdelikte). Andere Straftaten umfassen Sachbeschädigung, etwa von jüdischen Einrichtungen, bis zu verbalen Angriffen.
Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Bundesverband RIAS) geht von einer großen Dunkelziffer aus, die nie gemeldet oder registriert werden. Auch sei die Zahl der Vorfälle statistisch nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung und lasse nicht darauf schließen, wie viele Menschen in Deutschland insgesamt antisemitisch dächten oder handelten.

Was sind die Ursachen von Antisemitismus?
Antisemitismus ist wahrscheinlich das älteste, soziale, kulturelle und politische Ressentiment, das bis in die Gegenwart hinein existiert. Im frühen Christentum entstanden unter anderem Ritualmordbeschuldigungen und der Vorwurf des Hostienfrevels, zudem wurde den Juden die Schuld am Tod von Jesus Christus gegeben. Hinzu kommen Verschwörungstheorien von einer „jüdischen Weltverschwörung“, die sich hartnäckig halten. So etwa wird immer noch die Hetzschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“ verbreitet, obwohl längst erwiesen ist, dass es sich um eine Fälschung handelt. Der Nahostkonflikt fördert immer wieder Ausbrüche antisemitischer Äußerungen.

Laut Bundesinnenministerium waren 2022 insgesamt 84 Prozent der antisemitischen Taten der „rechts motivierten Kriminalität“ zuzurechnen. Es seien zudem auch Taten durch islamistisch geprägten Antisemitismus zu beobachten.


Welche Rolle spielt das Internet für den Antisemitismus?
Das „Lagebild Antisemitismus 2020/21“ des Bundesamts für Verfassungsschutz sieht im Internet einen wesentlichen Dynamisierungsfaktor für antisemitische Hetze. Auch Social Media trägt laut Experten zur Radikalisierung bei. Klassische Formen von Antisemitismus sind in User-Kommentaren weit verbreitet.


Welche Rolle spielte Antisemitismus in der Coronaepidemie?

Während der Corona-Pandemie sind im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien erneut antisemitische Ressentiments bedient worden, etwa dass Juden eine Schuld an der Pandemie oder den Corona-Maßnahmen tragen. Corona-Leugner oder sogenannte Querdenker trugen gelbe Davidsterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“ oder Plakate mit dem Spruch „Impfen macht frei“, was eine Verharmlosung des Holocaust und eine Verunglimpfung der Opfer darstellt.
Ein Mann trägt während einer Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt nach dem sogenannten „Frauenmarsch 2.0“ eine Kippa mit Davidstern. Die Veranstaltung wurde von rechtspopulistischen Gruppierungen aus dem AfD-Umfeld organisiert.


Welche Rolle spielt die AFD im Antisemitismus?

Auch die AfD spielt eine Rolle. Der Zentralrat der Juden bezeichnete in einer gemeinsamen Erklärung mit anderen jüdischen Organisationen und Verbänden die Partei als eine „Gefahr für jüdisches Leben in Deutschland“, sie sei eine „rassistische und antisemitische Partei“.
Behauptungen über einen angeblichen „großen Austausch“ oder „Bevölkerungsaustausch“ (AfD-Politiker Alexander Gauland) sind eine antisemitische Verschwörungstheorie. Beim Begriff der „globalistischen Eliten“ handelt es sich um eine antisemitische Chiffre, die der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke immer wieder benutzt. Letzterer fiel besonders 2017 mit einer Rede auf, in der er das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnete und eine „erinnerungspolitische Wende“ forderte.

Wie bedroht fühlen sich die jüdischen Gemeinden und Bürger durch Antisemitismus?
Angesichts von Gewaltaufrufen im Netz gegen jüdische Einrichtungen werden derzeit die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Viele Eltern schicken ihre Kinder nicht mehr in jüdische Kindergärten, weil sie Angst haben.
„Es geht uns schlecht“, sagte Marc Grünbaum von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am 13. Oktober 2023 im Deutschlandfunk Kultur. Die Eltern der Kita-Kinder seien zu Recht und nachvollziehbar verängstigt und sehr verunsichert.
Kleine Fahne von Israel auf einer Solidaritätskundgebung nach den Angriffen von Hamas auf Israel.

Leben Juden in Deutschland heute wieder in Angst?
Juden in Deutschland haben eine zunehmende Angst vor Übergriffen und Anschlägen. Wer sich unwohl fühle, dem raten die Jüdischen Gemeinden, die eigenen Kinder zu Hause zu lassen. 
Bereits seit längerer Zeit ist eine hohe antisemitische Grundhaltung zu spüren. Der Zentralrat der Juden äußert sich trotzdem zuversichtlich: „Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ist stark, ist standhaft und wehrhaft. Wir lassen uns nicht unterkriegen. Und wir stehen zusammen.“
Die jüdische Gemeinschaft erlebt aber auch viel Solidarität und Empathie von Nicht-Juden, auch aus der muslimischen Gemeinschaft, wenngleich man sich gerade aus dieser Gemeinschaft  eine noch lautere Stimme für Verständigung und gegenseitige solidarität wünschen würde. 

Was kann man gegen Antisemitismus tun?
Für Schulen hat die Kultusministerkonferenz zusammen mit dem Zentralrat der Juden und dem Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung einige Vorschläge gemacht: Lehrer und Schüler sollen Vorfälle erkennen, benennen und auf sie angemessen reagieren. Man setzt auf Fortbildung für Lehrer und Prävention, indem man im Unterricht Wissen zur Geschichte des Judentums vermittelt und für Formen des Judenhasses sensibilisiert.

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