Legende von den Brunnenvergiftern

Der Vorwurf der Brunnenvergiftung war bereits in der Antike präsent und wurde auch im Zusammenhang mit den Juden erhoben. Im Jahr 1321 wurde den Juden im Süden Frankreichs vorgeworfen, christliche Aussätzige angestiftet zu haben, ihre Mitbrüder durch vergiftetes Brunnenwasser zu ermorden. Dieser Vorwurf trug zur Vertreibung der Juden aus dem Königreich Frankreich bei. Während der Pest im Jahr 1348 wurde den Juden direkt vorgeworfen, die Brunnen vergiftet zu haben. Dieses Gerücht wurde in Savoyen durch erpresste Geständnisse bestätigt und verbreitete sich in anderen Städten der Schweiz und des Elsass. Es wurde in Verbindung mit einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung gebracht.

Im Gegensatz zu den Vorwürfen des Hostienfrevels und des Ritualmords wurde der Vorwurf der Brunnenvergiftung nicht von der Kirche verbreitet. Papst Clemens VI. warnte in einer Bulle vor dieser Anschuldigung und wies darauf hin, dass die Pest auch in Gegenden grassierte, in denen keine Juden lebten. Dennoch waren auch Bischöfe während der Pestpogrome an den Verfolgungen der Juden beteiligt. Man verwies auf erzwungene Geständnisse gefolterter Juden, zum Beispiel in Freiburg, wo ein Jude angeblich zugegeben hatte, ein Gift aus Jerusalem mitgebracht zu haben, das für Christen tödlich sei, den Juden jedoch nicht schade.

Auch nach den Pestpogromen, die viele jüdische Gemeinden im Heiligen Römischen Reich vernichtet hatten, wurden im späten 14. Jahrhundert vereinzelt noch Vorwürfe der Brunnenvergiftung durch Juden erhoben. In Straßburg drängten vor
allem der Straßburger Bischof, der elsässische Adel und die elsässischen Städte auf
„Abschaffung der Juden“. Der Rat setzte eine Untersuchungskommission ein, die bei
den Juden keine Schuld finden konnte. Erst als sich unter den Straßburgern Patriziern eine Oppositionsgruppe bildete, die mit Unterstützung des Bischofs sowie des auswärtigen Adels und der Zünfte die Herrschaft ergriff, wurden die Juden ermordet.

Im 19. Jahrhundert dann, als sich der rassistische Antisemitismus entwickelte, der Juden als Rasse mit besonders verwerflichen Merkmalen ansah, wurden diese alten Mythen ideologisch verwendet. 

Juden wurden in Karikaturen als Moskitos, Heuschrecken oder Ratten dargestellt, als Tiere eben, die Krankheit und Tod mit sich bringen und allgemein als Ungeziefer gelten.

Heute zeigt sich dieser Mythos in unterschiedlichen antisemitischen Verschwörungserzählungen. So wurden besonders während der Corona-Pandemie Juden von der verschwörungsideologischen Szene bezichtigt, das Virus in die Welt gebracht zu haben, um die Weltbevölkerung zu vergiften. Den Juden wurde auch vorgeworfen, sie wollten durch die Coronaschutzimpfungen, die in diesem Weltbild ebenfalls von der jüdischen Weltverschwörung erdacht worden sei, Menschen vergiften oder durch implantierte Chips ihre Gedanken kontrollieren.

Und auch Verschwörungserzählungen über Israel dürfen in diesen Kontext nicht fehlen: Israel wird hier als moderner Umschreibung für Juden verwendet, die dem palästinensischen Volk das Wasser abgraben oder gar vergiften.

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